Der Omega-Mann - Kritik | Film 1971 | Moviebreak.de (2024)

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Kritik

Nach The Last Man on Earth die zweite Film-Adaption von Richard Matheson’s Science-Fiction-Klassiker Ich bin Legende, der 2007 auch als Grundlage für den Will Smith-CGI-Unfall I Am Legend diente (der in dessen Fahrwasser dazwischen geschummelte DTV-Heuler I Am Omega soll nur der Vollständigkeit halber erwähnt werden). Interessanterweise tendieren alle Verfilmungen in eine ganz eigene Richtung und weichen von der literarischen Vorlage individuell (dafür deutlich) ab, eine ganz enge, werkgetreue Umsetzung existiert bis heute nicht. Sonderbar. Während I Am Legend die aufwändigste, aber seelenloste, inhaltsschwächste Version darstellt, kann The Last Man on Earth als eine Art abgespeckte Low-Budget-Light-Version betrachtet werden, wogegen Der Omega-Mann das Szenario auf seine ganz eigene Weise neuinterpretiert, dieses aber in dem damals zeitaktuellen Befindlichkeits-Kontext äußerst interessant.

Während im Roman (und der ersten Verfilmung) noch Vampir-ähnliche Wesen die von einer Seuche leergefegte Welt nach der Dämmerung beherrschten (wobei in The Last Man on Earth diese eher an die späteren Zombie-Kreaturen erinnerten, nachweislich Inspiration für George A. Romero und seinen kurze Zeit später folgenden Night of the Living Dead), sind die „Kreaturen“ in Der Omega-Mann viel menschlicher. Es sind Menschen. Nur in einem Stadium, dass sie gepaart mit den äußeren Bedingungen zu barbarischen Bestien werden lässt. Passend zum mahnenden Öko- und schwelendem Kalter-Kriegs-Bedrohungskino der 70er Jahre wird der Ursprung des Übels auf einen eskalierenden Konflikt der befeindeten Supermächte zurückgeführt, die eine gezüchtete Epidemie auslöste. Bis auf den Militär-Wissenschaftler Neville (Charlton Heston, Planet der Affen) - der sich in letzter Sekunde ein noch nicht erprobtes, aber offenbar wirksames Gegenmittel injizieren konnte – ist die gesamte Menschheit dem viralen Fallout aus dem Kampfstofflabor zum Opfer gefallen. Die Meisten schnell und trotzdem schmerzhaft, Wenige siechen langsamer dahin und haben sich in der Sekten-gleichen Gruppierung „Die Familie“ zusammengerottet. Anfällig für Tageslicht können sie nur nach Sonnenuntergang durch die verwaisten Straßenschluchten eines gespenstischen, da immer noch nur fluchtartig verlassen anmutenden Los Angeles streifen. Auf der Jagd nach dem letzten, verbliebenen Relikt der modernen Welt, die ihnen den Untergang bescherte: Neville, wem sonst?

Von seiner Konzeption ist Der Omega-Mann eine äußerst spannende, ungewöhnliche Angelegenheit: Natürlich ist das ein Genre-Film, der sich aber gleichzeitig bewusst von dem Horrorfilm-Ansatz der Vorlage(n) distanziert, das Geschehen etwas „realer“, greifbarer, womöglich erschreckend Zukunfts-näher ansiedelt, allein durch den Ursprung des Ganzen und das Erscheinungsbild „Der Familie“. Sie sind keine primitiven Monster, es sind Verseuchte. Opfer, die sich in ihrem Elend zurück in mittelalterliche Praktiken geflüchtet haben, die die Dämonisierung und Ausrottung moderner Wissenschaften, Technologien und allem, was das Unheil über sie brachte als einzig richtig und wichtig auserkoren haben. Fast muss Neville auf dem Scheiterhaufen enden, als letzte, zu bestrafende Instanz der Welt von vor (gerade mal) zwei Jahren, bis diese aus den Fugen geriet. Der Omega-Mann greift von allen Verfilmungen am deutlichsten die dystopische, gesellschaftskritische Parabel-Funktion des Romans auf, kreuzt sie mit brandheißen Ängsten und verpflanzt sie somit in einer Art Parallel-Interpretation, die mühelos auf dem aufbaut, was tatsächlich zur Zeit des Kalten Krieges, chemischen Waffen, Energiekrisen, Vietnam und der Panik vor Massenunruhen bis hin zu Bürgerkriegen der einzelnen Schichten theoretisch vorstellbar wäre. Nur theoretisch, aber nicht so weit weg wie Vampire oder anderes Kruppzeug.

Gleichzeitig wirkt der Film auch wie ein seltsamer Hybrid aus teurer Großstudioproduktion und teils anarchistischem, gelegentlich charmant-krudem B-Movie, dass nicht immer die Mitte aus Sozialkritik, Action, (immer noch) Horror und ruhigen Passagen findet, diese aber reizvoll ausstaffiert. Charlton Heston stolziert gerne – ganz anders als damals Vincent Price – als braungebrannter Chauvi-Gockel mit der heißgeliebten Automatik im Anschlag durch das Geschehen, wirkt nicht ansatzweise wie ein Wissenschaftler, schmückt sich zum Showdown sogar gerne mit unpassenden wirkendem Militär-Equipment, aber selbst diese Ausreißer nehmen Der Omega-Mann nicht entscheidend seine faszinierende Stimmung, lassen ihn nur etwas extravaganter auftreten. Was ihn sogar weniger glatt, wilder wirken lassen, da er manchmal zwischen konservativer Ausrichtung, kluger Reflektion und allem davor, dahinter und dazwischen seinen eigenen, merkwürdigen Weg findet, der dadurch noch entrückter und dennoch – so verrückt das klingen mag – viel realer erscheint. Wir sehen die Welt nach dem Tag X, in der alle Überreste aufeinandertreffen. In der Gut und Böse Ansichtssache ist. Es gibt keine Monster, nur verschiedene Lager. Wie vorher theoretisch auch…

Fazit

Eine ungewöhnliche, sehr zeitbezogene Anpassung der Vorlage, aus der „Der Omega-Mann“ auch heute noch seine Stärke bezieht. So konnte dieser Film nur damals entstehen und das macht ihn so sehenswert. Eine schöne, kontrastreiche Variante zu „The Last Man on Earth“, sogar die leicht bessere Interpretation, obwohl (und weil) abweichender vom Buch. Und was ist eigentlich mit „I Am Legend“? Nichts, das ist ja das Problem…

Kritik: Jacko Kunze

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